Preisträger 1974

Initiativgruppe zur Betreuung ausländischer Kinder

Bemühungen, Kindern ausländischer Arbeitnehmer Helfer und Freunde zu sein

Der THEODOR-HEUSS-PREIS für 1974 wurde der Initiativgruppe zur Betreuung ausländischer Kinder e.V. (München) für die jahrelangen Bemühungen, Kindern ausländischer Arbeitnehmer Helfer und Freunde zu sein, zuerkannt.

 

Unter den Bürgerinitiativen, die sich in den letzten Jahren vielerorts zur Hilfe für Gastarbeiterprobleme gebildet haben, hat sich die Münchner Initiativgruppe in besonderer Weise exponiert und bewährt. In zahlreichen Gruppen und mit etwa 130 Helfern – Lehrer, Studenten, Hausfrauen – betreut sie derzeit allein im Raum München über 400 Kinder. Sie bietet Hilfe bei Sprach- und Schulschwierigkeiten an, organisiert Hausaufgaben-, Spiel- und Beschäftigungsgruppen, veranstaltet Ausflüge und Besichtigungen, berät die Eltern der Kinder und setzt sich in der Öffentlichkeit für ein besseres Verständnis für die Situation und die Probleme der Gastarbeiterkinder ein. Besonders dankenswert sind ihre Bemühungen um die Entwicklung zweisprachiger Lese- und Bilderbücher, die ausländischen Kindern das Erlernen der deutschen Sprache erleichtern und zur Freude machen sollen.

Diese selbstlose Tätigkeit, die Engagement, Sachkunde und Stehvermögen gegenüber der Öffentlichkeit und Verwaltung erfordert, verdient gemäß der Satzung der Stiftung Theodor-Heuss-Preis e. V. Anerkennung und Ermutigung.

 

München, den 2. Februar 1974

Initiativkreis ausländischer Mitbürger und die Spiel- und Lerngruppen für Gastarbeiterkinder

Für ihre jahrelangen Bemühungen um die Probleme ausländischer Arbeitnehmer und ihrer Familien

Der THEODOR-HEUSS-PREIS für 1974 wurde dem Initiativkreis ausländischer Mitbürger und den Spiel- und Lerngruppen für Gastarbeiterkinder (Augsburg) für ihre jahrelangen Bemühungen um die Probleme ausländischer Arbeitnehmer und ihrer Familien zuerkannt.

 

Unter den Bürgerinitiativen, die in den letzten Jahren vielerorts zugunsten ausländischer Arbeitnehmer tätig geworden sind, haben sich der Augsburger Initiativkreis und die Spiel- und Lerngruppen in besonderer Weise bewährt. Sie verfolgen ihre Ziele – Hilfe bei der Wohnungssuche, Kontaktpflege zwischen deutschen und ausländischen Familien, Förderung bei Schul-, Berufsausbildungs- und Fortbildungsproblemen, Spiel- und Beschäftigungsgruppen für Kleinkinder, Beratung in Gesundheits- und Familienangelegenheiten – mit großer Hingabe und selbstlosem Einsatz auch gegen Unverständnis und Gleichgültigkeit, wie sie in Ämtern, Institutionen und Personen leider nur zu oft anzutreffen sind. Der Initiativkreis und seine vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter und Helfer bedürfen und verdienen hierfür öffentliche Anerkennung und Ermutigung.

 

München, den 2. Februar 1974

Dr. Dorothee Sölle

Eine THEODOR-HEUSS-MEDAI LLE für 1974 wurde Frau D. Dorothee Sölle für ihr von christlicher Verantwortung motiviertes und von persönlicher Zivilcourage getragenes Engagement zur Erneuerung des menschlichen und gesellschaftlichen Zusammenlebens zuerkannt.

 

Dorothee Sölle stellt die Erneuerung des Selbstverständnisses des Christen in der modernen Gesellschaft in den Mittelpunkt ihres theologischen und in seinen Konsequenzen eminent politischen Wirkens. Sie versteht das Evangelium und den christlichen Glauben, der „mit Macht von unter“ begann, als verpflichtenden Auftrag gegen Selbstzufriedenheit, Selbstsucht und Frömmelei. Christ sein bedeutet für sie: Glauben in der vorurteilslosen Liebe zum Nächsten und öffentliche Mitverantwortung über den persönlichen Bereich hinaus mit der Konsequenz, in diesem Glauben auch politisch wirken zu müssen.

 

Mit ihrem rückhaltlosen Engagement, das ihr viele Anfeindungen und Mißdeutungen einbrachte, ist Dorothee Sölle weit hineingestoßen in die aktuellen politischen Probleme des Zusammenlebens der Menschen und Völker. Ihr Bekennermut und von christlicher Verantwortung getragenes Engagement hat zur Verunsicherung und Problematisierung bisher geübter politischer Praktiken beigetragen und neue Kräfte und Motivationen geweckt.

 

Mit der Zuerkennung einer Theodor-Heuss-Medaille soll dieser provokatorisch und beispielhaft wirkende Versuch, aus christlicher Verantwortung demokratische Erneuerung und Verantwortung zu suchen, ausgezeichnet und sollen alle in diesem Sinne Wirkenden ermutigt werden.

 

München, den 2. Februar 1974

Thea Gerstenkorn

Eine THEODOR-HEUSS-MEDAILLE für 1974 wurde Frau Thea Gerstenkorn für ihr beispielgebendes Engagement in einer ländlichen Gemeinde zuerkannt.

 

Frau Thea Gerstenkorn hat durch ihren tapferen und konsequenten Weg aus einer bäuerlichen niedersächsischen Familie über die Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft bis zur Gemeinderätin und stellvertretenden Bürgermeisterin ein Beispiel der Ermutigung und Nachahmung für viele Frauen gegeben, sich im überschaubaren Lebensbereich für öffentliche Angelegenheiten einzusetzen und allen Vorurteilen zum Trotz durchzusetzen. Damit hat sie bewiesen, daß Emanzipation vor allem auch eine individuelle Aufgabe ist, die unabhängig von gesetzlichen Vorschriften jeder einzelnen Frau und der Gesellschaft, in der sie lebt, gestellt ist und immer von neuem bestanden werden muß.

 

In diesem Sinne hat Frau Thea Gerstenkorn neben ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter öffentliche Verantwortung übernommen. Sie bedarf und verdient hierfür – stellvertretend für viele anderen Frauen – gemäß der Satzung der Stiftung Theodor-Heuss-Preis e. V. Anerkennung und Ermutigung.

 

München, den 2. Februar 1974

Demokratie aktiv legitimieren

1974