Preisträger 2013

Daniel Cohn-Bendit

Visionen und Engagement für eine Demokratie im Wandel

 

Das Leben von Daniel Cohn-Bendit und die Entwicklung der Demokratie in Deutschland sind von Beginn an verwoben. Es gab im Zuge von 1968 provokativ-kontroverse, ja wilde Zeiten auf der Suche nach Idealen, gefolgt von der selbstkritischen Einsicht, erkennbar Verantwortung übernehmen zu müssen, in Frankreich, Deutschland und in der Europäischen Gemeinschaft. Für beide Aspekte – Provokation und realitätstüchtige Selbstkritik – steht Daniel Cohn-Bendit. Als Politiker und Publizist zog er Folgerungen aus seinen Einsichten, ging auf politische Veränderungen ein, suchte Lösungen und neue Ideen. Mit großem Engagement beschritt er neue Wege in der Demokratie, um Fehlentwicklungen und neuen Herausforderungen gerecht zu werden.

 

Daniel Cohn-Bendit wurde am 4. April 1945 als Kind jüdischer Eltern in Montauban in Frankreich geboren. Dorthin waren seine Eltern vor den Nationalsozialisten geflohen. Seine Schulzeit verbrachte er in Deutschland. Hier legte er sein Abitur ab. Anschließend studierte er an der Pariser Vorort-Universität Nanterre Soziologie. Sein politisches Interesse und Engagement machten ihn zum Sprecher der Pariser Mai-Revolution. Dabei hielt er Kontakt zur deutschen Studentenbewegung. Die französische Regierung verwies ihn wegen der Unruhen 1968 des Landes. Zurück in Deutschland engagierte sich Daniel Cohn-Bendit zusammen mit Joschka Fischer in der Frankfurter Sponti-Szene. Unter anderem war er Herausgeber des Magazins »Pflasterstrand«.

 

1978 setzte sich Daniel Cohn-Bendit maßgeblich für einen neuen Weg ein: er bekannte sich zum parlamentarischen System und unterstützte die Partei der Grünen. Als Frankreich sein Aufenthaltsverbot aufhob, entschied er sich, in Deutschland zu bleiben und trat 1984 in die Partei der Grünen ein. Grüne Politik sollte Wirklichkeit werden. Als »Realo«-Grüner sprach er sich entschieden gegen einen ökosozialistischen Fundamentalismus aus und stand dem hessischen Umweltminister Joschka Fischer zur Seite.

 

1989 stellte sich Daniel Cohn-Bendit als ehrenamtlicher Dezernent für das für ihn neu geschaffene »Amt für multikulturelle Angelegenheiten« in Frankfurt am Main einer neuen Herausforderung. Dabei machte er sich für ein klares Einwanderungsrecht und großzügige Regelungen für die Staatsbürgerschaft stark.

 

Obwohl selbst Repräsentant der Friedensbewegung, hielt Daniel Cohn-Bendit einen Einsatz der Bundeswehr zum Schutz der bosnischen Muslime für unerlässlich.

 

1994 schafftte er mit den Grünen den Einzug ins Europaparlament. 1999 war er für die französischen Grünen, 2004 für die deutschen Grünen und 2009 wieder für Frankreich im Parlament vertreten. So wundert es nicht, dass er zum Spitzenkandidat der 2004 gegründeten Europäischen Grünen Partei ernannt wurde, seit 2002 Ko-Vorsitzender der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz im Europäischen Parlament ist und mehreren Ausschüssen angehört. Er wirkt mit bei der Erstarkung des Europaparlaments. In Folge seiner Erfahrungen in Deutschland, Frankreich und in den europäischen Institutionen praktiziert er vorbildlich die gegenseitige Verständigung und die für den Zusammenhalt Europas essentielle Haltung sich jeweils an die Stelle der anderen zu setzen. Auch wenn Daniel Cohn-Bendit bei der Europawahl 2014 nicht mehr antreten will, scheint doch eines sicher: Seine Begeisterung und sein politischer Einsatz für Europa bleiben erhalten.

 

Ob bei der Abkehr vom Kommunismus, der Entscheidung für den Parlamentarismus in einer Koalition, für militärische Hilfe in Bosnien oder beim Aufbau einer konföderalistischen EU – Daniel Cohn-Bendit handelte stets mit existenziellem Engagement. Ohne sich selbst untreu zu werden, war und ist er stets bereit, auf Veränderungen zu reagieren und neue Wege in der Demokratie zu gehen.

Finance-Watch

 

Dem Finanzmarkt auf die Finger geschaut

 

Bonds, Fonds, Floaters, Step-ups, Swaps, Warrants – wer versteht das noch?

 

Wer kennt die Regeln dieses Spiels, in dem der Bürger mit seinem Geld immer mehr zum Spielball solcher Finanzinnovationen wird?

 

Die Wirtschaftskrise in Europa lässt niemanden unberührt. Der Finanz- und Bankensektor trägt seinen Teil dazu bei. Ja, es scheint fast, als stehe und falle Europa mit ihm. Der kleine Bürger sieht sich dazu verurteilt, das (über)mächtige Finanzsystem zu stützen. Die Finanzlobby spricht bei der Politik vor. Aber wer spricht für die Gesellschaft? Wer sorgt dafür, dass nicht einseitige, übermächtige Einflussnahme das soziale Miteinander gefährdet und der Demokratie schadet?

 

Als Gegenpol zur Lobbytätigkeit des Finanz- und Bankensektors versteht sich Finance Watch. Diese Organisation ist der Zivilgesellschaft verpflichtet und arbeitet mit dem notwendigen Sachverstand an einer Reform des Finanzsystems.

 

Ohne Kapital kann keine Gesellschaft bestehen.

Die Finanzbranche hat die Aufgabe, Kapital bereitzustellen und Finanzdienstleistungen anzubieten. Dabei ist es nur natürlich, dass auch in diesem Sektor nach Gewinn gestrebt wird. Dieses Streben darf dem Gemeinwohl jedoch nicht schaden. Gewinne einseitig anzuhäufen, Verluste aber auf die Gesellschaft zu übertragen – dieses gegenwärtige System ist inakzeptabel. Das Finanzwesen soll der Wirtschaft dienen, nicht umgekehrt. Seine Rolle besteht darin, Kapital transparent und nachhaltig für produktive Zwecke zugänglich zu machen. Diese Grundsätze gilt es wiederherzustellen. Gesetze müssen dem öffentlichen Interesse entsprechen. Lange Zeit fehlte eine Gegenlobby zur Finanzindustrie, die auf diese Ziele hinwirkt.

 

Hinwirken beginnt mit Beobachten.

Im Sommer 2010 reagierten 22 Europaabgeordnete auf das Ungleichgewicht auf dem Finanzmarkt. Ihrem Aufruf zu einer unabhängigen Organisation folgten mehr als 160 Abgeordnete aus unterschiedlichen Parteien und EU-Mitgliedstaaten. Am 28. April 2011 wurde Finance Watch als internationaler, unabhängiger und gemeinnütziger Verein eingetragen. 30 Organisationen, wie Transparency International, Attac, Amnesty International, Oxfam, der europäische Verbraucherschutzverband BEUC und der Europäische Gewerkschaftsbund, sowie 10 qualifizierte Personen traten in der Gründungsmitgliederversammlung am 30. Juni 2011 in Brüssel zusammen. „Heute wurde eine neue Organisation geboren, die entschlossen ist, in der Debatte um die Finanzregulierung die Balance wiederherzustellen“, so Thierry Philipponnat, der erste Generalsekretär, früher selbst Banker und im Vorstand von Amnesty International. Finance Watch erfreut sich seither stetig wachsenden Zuspruchs: über 40 Organisationen aus mehr als zwölf verschiedenen Ländern und 26 qualifizierte Einzelpersonen sowie Tausende von registrierten Freunden wollen den einflussreichen Repräsentanten der Finanzbranche entgegentreten.

 

Transparenz und Unabhängigkeit – dafür steht Finanz Watch.

Demokratischen Grundsätzen entsprechend entscheidet die Mitgliederversammlung als höchste Kontrollinstanz. Der von ihr gewählte Vorstand setzt sich aus sechs Repräsentanten von Mitgliedsorganisationen und drei qualifizierten Einzelpersonen zusammen und ernennt den Generalsekretär. Nach einer Anschubfinanzierung durch die Europäische Kommission finanziert sich Finance Watch durch die Beiträge unabhängiger Spender. Diese Unabhängigkeit sichert ein Ausschuss, der Mitglieder und Spender auf Interessenskonflikte mit der Finanzbranche hin prüft. Alle Mitglieder bringen ihre Fachkenntnisse ein. Um die Kernaktivitäten von Finance Watch kümmert sich ein kleines Team aus Finanz-, Rechts-, und Kommunikationsexperten. So bildet Finance Watch mit ihrer Vernetzung ein Abbild der Gesellschaft. Wer könnte besser die öffentlichen Interessen vertreten? „Die Demokratie muss ihre Macht dazu nutzen, die Finanzmärkte wieder in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.“

 

Finance Watch wird aktiv, sobald europäische Gesetzgebungsvorschläge zur Reform des Finanzsystems nicht das Interesse der Gesellschaft ausreichend berücksichtigen. Die Organisation erarbeitet Stellungnahmen und Gegenvorschläge und betreibt ihrerseits Lobbyarbeit. Sie beeinflusst die Debatten in EU-Kommission und -Parlament wie auch die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit. Das Echo bei den Verantwortlichen und in den Medien ist groß und es ist durchweg positiv. Finance Watch ist zu einer Autorität in Brüssel und in der Finanzbranche geworden.

 

Auf die aktuelle finanzpolitische Herausforderung in der Demokratie reagiert Finance Watch mit einem neuen Weg: durch Sachverstand gepaart mit Transparenz und Beteiligung gibt Finance Watch der Gesellschaft eine Stimme gegenüber der übermächtigen Finanzwelt.

 

www.finance-watch.org

Constanze Kurz

 

Demokratie im Wandel der technischen Möglichkeiten

 

Wer von uns gibt nicht täglich Daten preis – beim Zahlen mit der Bonuskarte im Supermarkt, auf der Suche nach der Route mit dem Smartphone, beim Chatten mit Freunden auf Facebook oder beim Lesen eines E-Books. Daten sind Chance, aber auch Gefahr: Sie sind als Mittel moderner Kommunikation einerseits unverzichtbar, stoßen aber andererseits ans Recht der Selbstbestimmung. Oft geben wir Informationen ungewollt, ja unbewusst weiter. Was danach mit den Daten geschieht, wer sie gebraucht bzw. ob sie gar missbraucht werden, ist nicht leicht zu durchschauen. Die Regeln zum Datenschutz kommen an ihre Grenzen. Entscheidungen, die nicht immer zum Wohle der Demokratie sind, werden im Verborgenen getroffen, erst recht, wenn sie wirtschaftliche Interessen befriedigen.

 

Constanze Kurz macht diese Risiken öffentlich. Zugleich fordert sie die Politik auf, die Vorteile des weitgehend unbegrenzten Netzes ebenfalls zu nutzen und mehr politische Mitbestimmung möglich zu machen.

 

In der männerdominierten Welt der Computer und des Internets hebt sich die Informatikerin Constanze Kurz als eine der wenigen Frauen hervor. In ihrer Tätigkeit lässt Constanze Kurz jedoch Fragen der bloßen Technik weit hinter sich. Als „digitale Bürgerrechtlerin“ agiert sie zugleich politisch. Durch ihre wissenschaftliche und journalistische Arbeit setzt sie sich für Transparenz und Verantwortung im Netz sowie für neue Wege in der Informationsgesellschaft ein. Sie stößt netzpolitische Wertedebatten an und wirkt öffentlich auf demokratische Lösungen hin.

 

Constanze Kurz wurde 1974 in Berlin geboren. Nach ihrem Informatikstudium widmete sie sich der Forschung mit Schwerpunkt Überwachungstechnologie, Ethik, Datenschutz und Datensicherheit. Ihre Dissertation befasst sich mit Wahlcomputern und elektronischen Wahlsystemen. Derzeit ist Constanze Kurz wissenschaftliche Projektleiterin am Forschungs- und Weiterbildungszentrum für Kultur und Informatik der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Daneben fördert sie als ehrenamtliche Sprecherin des Chaos Computer Clubs das Streben nach mehr Demokratie im Netz. Selbst die Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestags und das Bundesverfassungsgericht anlässlich des Beschwerdeverfahrens gegen die Vorratsdatenspeicherung beriet sie als Sachverständige. Constanze Kurz ist Herausgeberin und Autorin zahlreicher Werke, z.B. „1984.exe-Gesellschaftliche, politische und juristische Aspekte moderner Überwachungstechnologien“, „Gewissensbisse – Ethische Probleme der Informatik“, „Die Datenfresser“. In ihren Blogs, Essays und ihrer Kolumne „Aus dem Maschinenraum“ in der FAZ richtet sie die Aufmerksamkeit der Leser/innen auf Sicherheitslücken und Monopole im Bereich der neuen Technologien und zeigt zugleich demokratische Alternativen auf.

 

Freiheit und Ethik im Netz sind hart umkämpft.

Für solche Werte steht Constanze Kurz. Es sind Werte als Maßstab für die Politik. Zunehmend bestimmen diese Werte auch den Alltag eines normalen Bürgers: Ein E-Book verrät Lesegewohnheiten, die Nutzung des Smartphones ebnet den Weg für Monopole und Werbung, private Daten werden als profitable Ware an die Werbewirtschaft verkauft. Constanze Kurz macht Missstände und Risiken transparent, in die die Bürger/innen oft keinen Einblick haben und setzt so gleichzeitig die Entscheidungsträger unter Druck. Die neuen Vernetzungsmöglichkeiten verlangen fein abgestimmte gesetzliche Regelungen. Sie dürfen nicht kommerziellen Interessen untergeordnet werden. Demokratische Interessen müssen im Vordergrund stehen.

 

Constanze Kurz setzt sich dafür ein, dass das globale Netz frei von Überwachungsmechanismen und übermächtigen Monopolen bleibt, und dass die privaten Daten der Bürger geschützt werden.

 

Die neuen technischen Errungenschaften können eine direkte Demokratie fördern. Meinungsäußerung im Netz, unmittelbare Beteiligung von Bürger und Bürgerinnen elektronisch geäußert, fördern die Demokratie. Praktische und demokratietheoretische Fragen zu einer breiten Mitwirkung ergeben sich. Es gilt, neue Wege einer Basisbeteiligung zu finden und ein Gefühl demokratischer Teilhabe zu wecken. Die digitale Beschleunigung und die aktuellen Krisen erfordern eine breitere Basis von Politik. Technische Neuerungen bieten diese Möglichkeit zur permanenten politischen Mitgestaltung ohne hohe Zugangsschwelle. Durch Chat, Twitter, Internettelefon, Social-Media-Kanäle etc. können sich mehr Menschen politisch beteiligen. Dieser digitale Meinungsbildungsprozess zeichnet sich durch Offenheit, Transparenz und Durchlässigkeit sowie durch schnelle Entscheidungen im Netz aus. Er bietet eine Alternative, die auch erprobt werden sollte. Constanze Kurz reflektiert diese neue Art der demokratischen Partizipation und fordert die Politik auf, diese auch umzusetzen.

 

Constanze Kurz führt Politik und Bürgertum immer aktuell die Risiken und Möglichkeiten der technischen Erneurungen vor Augen und stärkt so das Bewusstsein für Gefahren und Chancen der Demokratie. Das Netz zeichnet sich vielerorts durch demokratische Strukturen aus und bietet neue Wege in der Demokratie. Dass diese Wege nicht beschränkt, sondern immer weiter ausgebaut werden, haben wir engagierten Menschen wie Constanze Kurz zu verdanken.

Bürgerhaushalt Berlin-Lichtenberg

 

 

Gemeinsam Politik machen / Gemeinsam Stadt gestalten

 

Wer zahlt, bestimmt. So heißt es.

Jeder Bürger leistet mit seinen Steuern einen finanziellen Beitrag zur Staatskasse. Über die Verwendung dieser Gelder bestimmen dann in unserer repräsentativen Demokratie die Volksvertreter/innen in Bund, Ländern und Kommunen zum Wohle der Allgemeinheit. Diese Allgemeinheit ist jedoch sehr vielfältig und zeichnet sich durch unterschiedliche Vorstellungen und Bedürfnisse aus. Fast jeder hätte die eine oder andere Idee, wie die öffentlichen Gelder am Besten zu verwenden sind. Doch werden solche Vorschläge selten gehört, scheinen die Entscheidungsträger doch oft unerreichbar zu sein. Gerade vor Ort, also am Lebensmittelpunkt, fühlen sich viele bei der Entscheidung übergangen, was mit ihrem Geld geschieht. Sie wünschen sich mehr Beteiligung an diesen wesentlichen Entscheidungen. Die Menschen wünschen sich mehr greifbare Demokratie.

 

In Berlin-Lichtenberg ist dieser Wunsch Wirklichkeit geworden. Wer in Lichtenberg lebt oder arbeitet, darf einen Teil des Bezirkshaushalts mitgestalten, „weil über öffentliches Geld auch öffentlich diskutiert werden soll“, so Bezirksbürgermeister Andreas Geisel. Er verfeinerte jüngst die Verfahrensabläufe beim Bürgerhaushalt, der 2005 als erster Bürgerhaushalt in einer deutschen Großstadt eingeführt worden war.

 

Trotz zusätzlicher Arbeit und Kosten entschied sich Lichtenberg für eine lebendige und bürgernahe Demokratie.

 

„Wir rechnen mit Ihnen!“

Dieses Motto des Bürgerhaushalts Berlin-Lichtenberg ist in doppeltem Sinne wörtlich zu verstehen. Denn die Bürger/innen entscheiden im Dialog mit Politik und Verwaltung über die Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel und können damit direkten Einfluss auf ihr Wohnumfeld nehmen. Gleichzeitig sind sie dazu angehalten, diese Chance auf Beteiligung auch zu nutzen und Verantwortung für kommunale Belange zu tragen. Transparenz und Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürgertum – das sind die unabdingbaren Voraussetzungen, damit solches Miteinander gelingt. Die Bürgergesellschaft wird gefördert, aber auch gefordert.

 

Etwa 30 Millionen Euro des Bezirksbudgets sind beweglich. Diese Mittel sollen den Bedürfnissen der Bürger entsprechend effektiv eingesetzt werden. Dazu dürfen die Lichtenberger/innen themenbezogene Vorschläge einreichen. Zur Mitgestaltung aufgefordert sind so immerhin ca. 260.000 Menschen. Jede/r von ihnen hat die Chance mitzubestimmen, welche Ausgaben das Bezirksamt tätigt für Gesundheitsförderung, Kinder- und Jugendförderung, ehrenamtlichen Dienst für Senioren, kulturelle Angebote (Bibliotheken, Musik- und Volkshochschule, Sport), Stadtteilprojekte, Grünflächen und Spielplätze, sowie Wirtschaftsförderung.

 

Jeder kann sich einbringen. Zur Umsetzung des Bürgerhaushalts wurde ein Verfahren entwickelt, das es den Bürgern leicht macht, sich zu beteiligen und sich auch über die weitere Entwicklung zu informieren. Die einzelnen Schritte werden jährlich reflektiert und gegebenenfalls verbessert. Vorschläge können ganzjährig und auf verschiedene Weise eingereicht werden, so dass jede/r im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten partizipieren kann: über die Homepage, traditionell per Post oder persönlich vor Ort. Informationsmaterialien und -veranstaltungen machen auf das Projekt aufmerksam. Auch sprachliche Schwierigkeiten stellen in Lichtenberg keine Barriere dar. Flyer werden für die beiden größten Migrantengruppen zusätzlich in Russisch und Vietnamesisch verfasst. So gelingt zugleich Integration.

 

Was sich aus den Vorschlägen entwickelt, wird für alle Bürger transparent gemacht: Jeder Vorschlag kann auf der Website des Bürgerhaushalts nachverfolgt und diskutiert werden. Ein Dialog zwischen Bürgerschaft, Politik und Verwaltung entsteht. Ein Begleitgremium entscheidet dann zusammen mit den Initiatoren der Vorschläge, wie weiter verfahren wird.

 

Eine Möglichkeit ist die Umsetzung durch den Kiezfond unter Vorsitz einer Bürgerjury. Jeder Stadtteil verfügt über einen solchen Fond mit je 7000 € aus dem Bezirkshaushalt. Wer z.B. ein Nachbarschaftsprojekt ins Leben rufen oder ein Schulhaus renovieren möchte, erhält auf diesem Weg schnelle Unterstützung. Über weiterreichende Vorschläge, die im laufenden Haushaltsjahr realisiert werden können, entscheidet die Bezirksverordnetenversammlung in öffentlicher Sitzung. Was sich nicht im laufenden Haushaltsjahr umsetzen lässt, geht in das Votierungsverfahren ein. Diese Abstimmung, bei der die Bürger Prioritäten setzen, wird ebenfalls online, persönlich oder schriftlich, z.B. per Haushalteabstimmung (eine Art Briefwahl), durchgeführt. Die Ergebnisse der Abstimmung werden an die Bezirksverordnetenversammlung weitergeleitet. Befürwortet diese einen Vorschlag, übergibt sie der Verwaltung entsprechende Aufträge für den nächsten Haushalt. Die Website des Bürgerhaushalts berichtet immer aktuell über den Stand des jeweiligen Verfahrens. Über die abschließende Umsetzung oder Ablehnung eines Vorschlags legt die Politik quartalsweise Rechenschaft ab. Der Bürgerhaushalt wird zur gelebten Demokratie für alle. Die Beteiligung zahlt sich aus. Viele Initiativen zur Verbesserung des gesellschaftlichen Lebens wurden bereits umgesetzt: Radwege wurden erweitert, Schulwege sicherer, Kitaplätze, soziale Treffpunkte und vielerlei Bildungsprojekte geschaffen.

 

Der Bürgerhaushalt Berlin-Lichtenberg legitimiert sich durch große Transparenz und Bürgerbeteiligung. Er verdient unfraglich die Auszeichnung für einen neuen demokratischen Weg. Er steht als Vorbild für andere Städte und Kommunen.

 

www.buergerhaushalt-lichtenberg.de

"Neue Wege in der Demokratie"

Am Freitag, dem 19. April 2013, fand das Kolloquium anlässlich der 48. Theodor Heuss Preisverleihung zum Jahresthema  „Neue Wege in der Demokratie“ im Rathaus der Landeshauptstadt Stuttgart statt.

 

Im Focus stand die Frage „Neue demokratische Beteiligungsformen: Wie werden Erwartungen an Transparenz, Information und Kommunikation erfüllt?“.

 

Nachdem unser Preisträger 2013 Daniel Cohn-Bendit MdEP in das Jahresthema „Neue Wege in der Demokratie“ eingeführt hatte, gaben die Medaillenträger*innen 2013 Charlotte Geiger (Finance Watch), Andreas Geisel (Bürgerhaushalt Berlin-Lichtenberg) sowie Constanze Kurz die Impulse. Moderiert wurde die Veranstaltung von Bundesinnenminister a.D. Gerhart R. Baum.

 

Den Bericht der spannenden Tagung finden Sie hier:

Bericht Kolloquium 2013 Neue Wege in der Demokratie von Aleesia Scheel

 

 

Audio-Mitschnitt 48. Theodor Heuss Preisverleihung

2013