Preisträger 2014

Christo

Subtile Provokation am monumentalen Werk – Kunst als Politik

Tausende Menschen stehen, sitzen und liegen im Sommer 1995 auf dem Rasen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Nur wenige Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, bringt das Kunstprojekt „Wrapped Reichstag“ des Künstlerehepaares Christo & Jeanne-Claude das deutsche Volk an diesem symbolträchtigen Ort zusammen. Es wird lebhaft diskutiert. Viele sehen den Bau und seine Geschichte fortan bewusster. Kunst bricht auf.

 

Christo wird am 13. Juni 1935 als Christo Vladimirov Javacheff in Gabrovo, Bulgarien, als Sohn einer Industriellenfamilie geboren. Nachdem er in den 50er Jahren an der Akademie der Künste in Sofia studiert hatte, wanderte Christo nach Paris aus. In der französischen Hauptstadt lernte er Jeanne-Claude kennen. Nach der Geburt des gemeinsamen Sohns Cyril heirateten die beiden und zogen im Jahre 1964 nach New York. Gemeinsam widmeten sie sich von dort aus einer Vielzahl groß angelegter Verhüllungsprojekte, darunter: verpackte Inseln in Florida, ein Vorhang in einem Tal in Colorado, gigantische Regenschirme in Japan und Kalifornien und viele mehr. Zurzeit arbeitet Christo an der Vollendung der letzten Kunstwerke, die er zusammen mit seiner 2009 verstorbenen Frau auf den Weg gebracht hatte.

 

Wie die Verhüllung des Reichstagsgebäudes exemplarisch zeigt, war für das Künstlerpaar nicht alleine die Umsetzung ihrer Ideen wichtig. Vielmehr betonten sie immer wieder, wie bedeutend die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen im Vorfeld der Projektrealisierungen sind. Im Falle der Reichstagsverhüllung ging deren Umsetzung ein jahrzehntelanges Genehmigungsverfahren voraus. Nur durch die Beharrlichkeit von Christo und Jeanne-Claude und das Zusammenspiel von Politikern, Anwälten, Ingenieuren, Bankern, Intellektuellen und engagierten Bürgern konnte das Kunstprojekt zum Erfolg geführt werden. Letztlich liegt auch in der öffentlichen Willens- und Meinungsbildung die zivilgesellschaftliche Bedeutung der Arbeiten von Christo und Jeanne-Claude.

 

Christo verwendet den öffentlichen Raum als Leinwand und bricht mit Hilfe einer subtilen Provokation am monumentalen Objekt Denk- und Sichtweisen auf. Deutlich wird dieses Konzept an Hand des Projekts „Wrapped Reichstag“. Die Befürchtung, die Verhüllung könne den Symbolwert des Reichstages mit seiner wechselvollen Geschichte negativ beeinträchtigen, sollte sich als unbegründet herausstellen. Das Ergebnis jahrzehntelanger Diskurse zog derart viele Bürger in seinen Bann, dass sich der Reichstag seiner Ambivalenz als demokratisches Symbol entledigen konnte. So ist das geschilderte Projekt zu einem Sinnbild für Aufbruch und Neuanfang geworden. Aufbruch durch Verhüllung. Kunst brach auf.

 

In der Diskussion um das Verhüllungsprojekt des Reichstages meldete sich auch der ehemalige Bundespräsident Walter Scheel zu Wort. Er äußerte sich Ende 1981 zur politischen Wirkung der Kunst Christos wie folgt: „Eigentlich sind wir schon mitten drin in dem Werk Christos … Denn Christos Kunst begnügt sich nicht mit dem, was das Auge schließlich als Verpacktes, Verhülltes wahrnehmen wird. Christos Kunst schließt den Werdegang mit ein… Christo will unsere Sinne zurücklenken auf die Aufbauarbeit des Parlamentarismus, auf sein Sichselbstaufgeben, sein Wiedererwachen, sein Unterdrücktsein. Darf sich Kunst so weit in die politische Dimension vorwagen? Ich bin der Überzeugung: Ja … Christo will mit dem verpackten Reichstag unser geschichtliches und politisches Bewusstsein wachmachen, wachhalten. Er will uns die Sinne schärfen, damit wir unsere demokratische Freiheit neu erleben können. Seine Kunst hat Politisches zum Inhalt, sie mischt sich aber nicht in den politischen Alltag ein…“

 

Quelle: Cullen, Michael S.; Volz, Wolfgang: Christo, Jeanne-Claude. Der Reichstag „Dem Deutschen Volke“, Bergisch Gladbach 1995, S. 66.

Erdem Gündüz

 

Manchmal kann der Körper politisch werden – #duranadam

 

Ende Mai des vergangenen Jahres begannen im Gezipark in Istanbul friedliche Proteste gegen dessen geplante Bebauung. Nach einem brutalen Polizeieinsatz richteten sich die Proteste gegen die Regierung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. An einem Montagabend gegen 20.30 Uhr blieb der türkische Tänzer und Choreograf Erdem Gündüz am Istanbuler Taksim Platz für acht Stunden wie eine Statue stehen. Seinen Blick richtete er dabei auf das große Konterfei Atatürks, das die Polizei nach der gewalttätigen Räumung des Platzes am riesigen Atatürk Kulturzentrum aufgehängt hatte.

 

Erdem Gündüz wurde 1979 in der türkischen Hauptstadt Ankara geboren und wuchs in Izmir auf. In Izmir studierte Gündüz zunächst in den Fachbereichen Elektrik und Landwirtschaft. 2003 wechselte er an die Yildiz Technical University, um im Bereich Kunst, Design, Musik und Tanz zu studieren. Im Jahr 2008 schloss Gündüz sein Studium mit einem Master of Performing Arts an der Mimar Sinan Fine Art University ab. Er nahm an einem Kurs am John F. Kennedy Center oft the Performing Arts in den USA und am Kurs „ImPulsTanz“ am Vienna International Dance Festival teil.

 

Gündüz lässt seinen Körper sprechen, wenn er sich mit einem stillen Protest gegen das autoritäre System wendet und für mehr Demokratie und Freiheit demonstriert. Sein Protest richtet sich im Speziellen gegen die Brutalität der Polizei während der friedlichen Proteste auf dem Taksim Platz und gegen die regierungskonforme Berichterstattung der türkischen Medien während der Demonstrationen. Das stille Ste-hen, so Gündüz, war die einzige Möglichkeit für ihn, deutlich zu machen, dass es in der Türkei keine freie Presse gäbe. Des Weiteren wollte er seinen Respekt gegenüber dem Begründer der modernen Türkei zum Ausdruck bringen. Gündüz vermisst Atatürks visionäre Gedanken; ihm geht es hierbei vor allem um Gleichheit und Respekt – Klassenunterschiede müssen beseitigt werden, Frauen die gleichen Rechte wie Männer haben, Religion und Staat getrennt sein.

 

Über Twitter verbreitete sich der Hashtag #duranadam, „stehender Mann“, wie ein Lauffeuer. Es wurde schon bald zum weltweit führenden Twitter-Trend. Die Verbreitung seines Protestes über die sozialen Medien ermöglichte es Gündüz, trotz ausbleibender Berichterstattungen türkischer Medien, sowohl seine türkischen Mitbürger als auch eine internationale User-Gemeinde zu erreichen.
Angesprochen auf die auf Wahlen basierende Legitimität der AKP, betont Erdem Gündüz, dass Demokratie nicht nur aus Wahlen bestehe. Minderheitenschutz, Bürgerrechte, Frauenrechte, Partizipation, „Checks and Balances“, Pressefreiheit – auch diese Werte sind für eine Demokratie essentiell. Gündüz vermisst diese Prinzipien in der Türkei.

 

Wichtig war ihm auch, alleine zu protestieren, als Individuum. Als Gruppe gelte man sofort als terroristische Organisation, berichtet Gündüz. Dennoch hatte er landesweite Nachahmer. Viele fühlten sich durch den stillen Protest des Künstlers an Zeilen aus einem Gedicht des türkischen Dichters Nazim Hikmet erinnert: „Leben, einzeln und frei wie ein Baum, und brüderlich wie ein Wald, das ist meine Sehnsucht.“

 

Der Choreograf und Künstler Erdem Gündüz hat mit seiner stillen Anklage auf dem Istanbuler Taksim Platz nicht nur in der Türkei viele Menschen bewegt. Als „standing man“, „duranadam“, „stehender Mann“ wurde er weltweit bekannt und nutzte das von ihm entstandene Bild, um auf zahlreiche Defizite der türkischen Demokratie aufmerksam zu machen. Diese Leistung wird in diesem Jahr mit der Verleihung einer Theodor Heuss Medaille gewürdigt.

Shermin Langhoff

 

Gesellschaftlich engagierte Kunst durch postmigrantisches Theater

 

Shermin Langhoff, die Mitglied im Rat für Kulturelle Bildung in Deutschland ist, ist seit der Spielzeit 2013/14 die neue künstlerische Leiterin des Maxim Gorki Theaters in Berlin. Sie ist damit die erste türkischstämmige Intendantin, die ihren Dienst bei einem Stadttheater angetreten hat. Das Gorki Theater soll unter ihrer Leitung als Diskurs- und Diskoraum etabliert werden, an dem sich die Jugend trifft, um Politik und Kunst zu entgrenzen.

 

Shermin Langhoff wurde 1969 in Bursa in der Türkei geboren, wo sie bei ihren Großeltern aufwuchs. Im Alter von neun Jahren zog sie nach Deutschland. Bereits als Jugendliche sstzte sie sich mit Marx, Engels und Lenin auseinander, las ebenso Brecht, Neruda und Hikmet. Bis zum achtzehnten Lebensjahr blieb sie von Deutschland aus eine ideologische und parteipolitische Aktivistin in der Türkei. Aufgrund ihrer Liebe zum Film, zur Literatur und zum Theater entschied sie sich jedoch gegen eine parteipolitische Karriere und für die Kunst.

 

Nach längeren Jahren beim Film, in denen sie auch mit Fatih Akin bei Gegen die Wand zusammenarbeite-te, war sie von 2004-2008 Kuratorin am Berliner Theater Hebbel am Ufer. Dort gründete sie die „Akade-mie der Autodidakten“, die vielen Talenten der zweiten deutsch-türkischen Einwanderergeneration eine künstlerische Plattform bot. 2006 entstand ihre Projektreihe „Beyond Belonging“ mit Inszenierungen rund um das Thema Migration – hierbei wurde gelehrt sich jenseits von Zugehörigkeit und Herkunft kultu-rell zu artikulieren.

 

Nach diesen ersten Theaterversuchen etablierte sie am Ballhaus Naunynstraße in Berlin Kreuzberg mit vornehmlich türkischstämmigen Schauspielern und Theatermachern ein postmigrantisches Theater. In Stücken wie „Verrücktes Blut“ ließ Langhoff rotzfrech und mit umwerfender Energie von rassistischen Vorurteilen im deutschen Alltag ebenso wie vom streng separierten Parallelleben der nach Deutschland Eingewanderten erzählen.

 

Was bedeutet „postmigrantisch“?
Das Postmigrantische, so Langhoff, war von Beginn an ein Postulat, um die Theaterszene ein bisschen aufzumischen. Die Entwicklung, dass sich viele gesellschaftliche Bereiche für interkulturelle Einflüsse öffnen, war bis dato im Theaterbereich ausgeblieben. Gleichzeitig geht es aber auch um die Geschichten und Perspektiven derer, die selbst nicht mehr migriert sind, diesen Migrationshintergrund aber als per-sönliches Wissen und kollektive Erinnerung mitbringen. Darüber hinaus steht „postmigrantisch“ in einer globalisierten Welt und einer zunehmend urbanen Gesellschaft für den gesamten gemeinsamen Raum der Diversität, jenseits von Herkunft. Das Leben im 21. Jahrhundert ist schon längst transkulturell und translokal.

 

Am Maxim Gorki Theater möchte Shermin Langhoff das erfolgreiche Konzept des postmigrantischen Theaters fortführen, hinzu kommt der Versuch einer ernsthaften Öffnung hin zu einer Stadtgesellschaft, die diverser wahrzunehmen ist, als sie bisher auf den Bühnen verhandelt worden war.

 

Als kulturpolitischer Akteur ist es Langhoff wichtig durch die theatrale Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „interkulturelle Gesellschaft“ ein erweitertes Partizipationsangebot zu schaffen. Dabei hebt sie richtigerweise hervor, dass es nicht die Aufgabe des Theaters sein kann, bildungspolitische Lücken zu bereinigen. Dennoch beweist Shermin Langhoff, dass Theaterbühnen als Spiegel gesellschaftlicher Missstände fungieren können. Der Intendantin des Gorki Theaters gelingt es über die Plattform der Kunst Lösungsmöglichkeiten zum Thema anzubieten.

 

Langhoff möchte Neues erzählen, Neues fragen. Bei der Jugend kommt dies gut an. Seit das Gorki Theater Mitte November mit Anton Tschechows „Der Kirschgarten“ in der Regie von Nurkan Erpulat eröffnet hat, wird es von zumeist jugendlichen Zuschauern regelrecht gestürmt. Die Vorstellungen waren auf Wochen hinaus ausverkauft.

 

Das Ideal wäre, dass alle Mitbürger selbstverständlich mit ihren verschiedensten Biographien und Herkünften umgehen dürfen, aber nicht müssen. Shermin Langhoff engagiert sich auf eine herausragende Art und Weise für dieses Ideal, indem sie postmigrantische Themen auf die Bühne bringt und somit zum gesellschaftlichen Diskurs anregt. Shermin Langhoffs Kunst bricht auf und verdient deshalb eine Theodor Heuss Medaille 2014.

Yehudi Menuhin Live Music Now e.V.

 

„Musik heilt. Musik tröstet. Musik bringt Freude.” –
Konzerte als Brücke zu den sozial Benachteiligten

 

Pflegeheime, Hospize, Gefängnisse und Brennpunktschulen – die Vereine von Live Music Now bringen deutschlandweit klassische Musik zu Menschen, die sonst kaum die Chance haben, am kulturellen Leben teilzuhaben. Gleichzeitig bieten die Vereine jungen talentierten Nachwuchskünstlern durch Stipendien die Möglichkeit auf Konzerten des Vereins wichtige Erfahrungen für eine erfolgreiche Karriere zu sammeln.

 

Der weltberühmte Geiger Yehudi Menuhin verstand Musik nicht nur als Kunst, sondern als Beitrag zu einer besseren Gesellschaft. Mit Konzerten kann eine Brücke zu den sozial Schwachen, den Sterbenden, den Behinderten und zu Gefängnisinsassen gebaut werden.

 

Ein Konzert als Zugang zur Welt.

 

Dieser Gedanke liegt der von Menuhin 1977 in Großbritannien gegründeten Organisation Live Music Now zu Grunde. Yehudi Menuhin wurde 1916 in New York als Sohn russisch-jüdischer Eltern geboren. Bereits mit acht Jahren trat er erstmals in einem öffentlichen Konzert als Solist auf. Mit dreizehn Jahren erlangte er durch ein legendäres Konzert in Berlin Weltruhm. Er spielte an einem Abend die drei Violinkonzerte von Bach, Beethoven und Brahms – von da an wurde er als „Wunderkind“ und „Jahrhundertgeiger“ gefeiert. Als Humanist und Weltbürger setzte er sich für die Benachteiligten dieser Welt ein. Yehudi Menuhin ver-starb während einer Deutschlandtournee am 12. März 1999 in Berlin.

 

Das große Erbe des weltberühmten Geigers tragen die gemeinnützigen Vereine YEHUDI MENUHIN Live Musiv Now seit 1992 auch im deutschsprachigen Raum erfolgreich weiter. In München wurde der erste deutsche Ableger gegründet, insgesamt folgten bis dato achtzehn weitere – u. a. im Jahre 2006 in Stuttgart. Bis zum Jahr 2012 förderten die deutschen Vereine von Live Music Now 1.558 Musiker und organi-sierten innerhalb eines Jahres 1.937 Konzerte an 1.280 Spielstätten.

 

Die Vereinsmitglieder arbeiten allesamt ehrenamtlich. Die mit den Konzerten entstehenden Aufwendungen und Sachkosten werden durch Spenden und Förderer finanziert. Den Spendern wird auf Wunsch hin auch die Möglichkeit gegeben, einzelne Häuser oder Künstler gezielt zu unterstützen.

 

Einer jeden Demokratie ist eine soziale Komponente inhärent. Bürger engagieren sich für Bürger. In den Vereinen von Live Music Now wird dieses Prinzip gelebt. Dadurch tragen sie dazu bei, dass unsere De-mokratie sozialer wird. Alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich, damit auch Menschen, die aufgrund ihrer Lebensumstände nicht zu Konzerten gehen können, an klassischer Musik teilhaben können. Live Music Now e. V. ermöglicht diese Konzerte durch die Förderung junger Talente, denen sie somit zugleich die Gelegenheit geben, wichtige Erfahrungen für ihre spätere Karriere zu sammeln. Live Music Now e. V. ist ein Vorbild für demokratieförderndes soziales Engagement und bekommt daher eine Theodor Heuss Medaille 2014 verliehen.

Theater der Erfahrungen - Werkstatt der alten Talente

 

Senioren und Kultur als ein Motor gesellschaftlicher Innovation

 

Theater der Erfahrungen – Werkstatt der alten Talente, das ist nicht nur der Name einer Berliner Initiative, sondern vielmehr ein gelebtes Prinzip. Der demographische Wandel ist in aller Munde. Die Gesellschaft in Deutschland wird unweigerlich älter. Die Initiative knüpft hieran an. Sie bietet der Generation 50plus Möglichkeiten, sich mit den eigenen Talenten und/oder sich mit wertvollen Erfahrungen im kreativen Bereich einzubringen. Sie gibt Impulse für eine zeitgemäße Seniorenkulturarbeit, mittels derer Anlässe zur Begegnung zwischen Menschen verschiedener Herkunft und unterschiedlichen Alters ermöglicht werden.

 

Im Frühjahr 2008 ging die Initiative Theater der Erfahrungen – Werkstatt der alten Talente, mit EU-Mitteln gefördert, auf Kurs. Sie vereint unter ihrem virtuellen Dach, das seit Jahren aktive Theater der Erfahrungen, die nachwuchsfördernden Kreativen Potenziale des Alters, eine interkulturelle und generationsüber-greifende Theaterpraxis sowie Aus- und Weiterbildungsangebote.

 

Das Ziel dieser Initiative ist es, Spielräume zur Gestaltung und Begegnung aufzutun, die es bisher so noch nicht gab. Gesellschaftliche Konflikte sind dadurch sicherlich nicht wegzupusten, aber ohne Zweifel zu beschreiben und kreativ zu bearbeiten. Jeder Mensch sollte alt werden dürfen, wie er oder sie kann und mag. Die Werkstatt der alten Talente bietet Senioren interessante Beteiligungsfelder, um sich bürger-schaftlich und kulturell zu engagieren. Neben einem intensiven Kontakt zu jungen Mitbürgern soll den Senioren durch die Initiative auch die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen ermöglicht werden.

 

Das Seniorentheater besteht seit nunmehr 34 Jahren in Berlin-Schöneberg und wurde von den Theaterpädagoginnen Eva Bittner und Johanna Kaiser gegründet. Die Laienschauspieler, von 50 Jahren an aufwärts, entwickeln ihre Stücke selbst. Die Ergebnisse dieser Arbeit spiegeln die Lebensfreude der Senio-ren wieder und geben dem Zuschauer einiges zum Nachdenken auf. Im Interkulturellen Schmelztiegel, der Teil der Initiative ist und als Brückenschlag zwischen verschiedenen Kulturen den interkulturellen Dialog fördert, wird beispielsweise dem Umstand Rechnung getragen, dass sich ältere Migranten analog zu den älteren Deutschen in einer zunehmenden gesellschaftlichen Isolation bewegen.

 

Das berlinweite Netzwerk alter Talente ist die zentrale Anlaufstelle für Fragen rund um Seniorenkulturar-beit. Die beteiligten Akteurinnen und Akteure unterstützen und fördern gemeinsam kulturelles und gesellschaftliches Engagement alter Menschen. Für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen ist dabei die Meisterschule der Initiative zuständig. Die Grundidee der Kreativen Potenziale ist, Senioren und Kultur als ein Motor gesellschaftlicher Innovation zu betrachten, so dass die Älteren das gesellschaftliche Leben mitgestalten.

 

Seit den 90er Jahren engagieren sich die Senioren des Altentheaters in generationsübergreifenden Theaterworkshops und Produktionen als Botschafter der Erfahrungen. Das Theater fungiert als Treffpunkt für Alt und Jung. Die einjährige Kooperation zwischen dem Theater der Erfahrungen, der Kindertagesstätte Riemenschneiderweg und der Alice Salomon Hochschule verkörpert die generationsübergreifende Arbeit der Initiative. Im Rahmen von TUKI – Theater und Kita – spielen Kindergartenkinder unter Anleitung, sowohl der Studierenden als auch der Senioren, Theater.

 

Die Initiative Theater der Erfahrungen – Werkstatt der alten Talente entwickelt neue Spielarten des bürgerschaftlichen Engagements im kreativen Bereich, gibt Impulse für eine zeitgemäße Seniorenkulturarbeit und entwickelt generationsübergreifende Projekte. Aus diesem Grund erhält sie eine Theodor Heuss Medaille 2014.

Kunst bricht auf

Das traditionelle Kolloquium zur Theodor Heuss Preisverleihung fand am Freitag, 11. April 2014, unter dem Jahresthema 2014 „Kunst bricht auf“ mit den Medaillenträger*innen im Literaturhaus Stuttgart statt.

 

Diskutiert wurde auf drei Panels:

 

Kunst und Demokratie I
Wrapped Reichstag, Running Fence, The Umbrellas: Wie kann Kunst Politik aufbrechen?  (Werner Spies, Kunsthistoriker)

 

Kunst und Demokratie II
Die Dynamik des Aufbruchs: Ist eine Performance nur dann eine Performance, wenn sie ein Künstler und nicht ein einfacher Bürger zeigt? (Impulsreferate: Erdem Gündüz, Choreograph; Shermin Langhoff, Intendantin Maxim Gorki Theater)

 

Kunst und Demokratie III
Altentheater und junge Musiker: Bricht Kunst gesellschaftliche Schichten auf? (Impulsreferate: Marie Steinbeis, Live Music Now München e.V.; Eva Bittner, Johanna Kaiser, Theater der Erfahrungen – Werkstatt der alten Talente)

Moderiert wurde die Tagung von Rudolf Prinz zur Lippe, Philosoph und Künstler.

 

Die spannenden Diskussionsrunden haben wir in einem Bericht zusammengefasst, den Sie mit weiteren Impressionen der Tagung hier im Anschluss finden:

 

Kolloquium Theodor Heuss Stiftung 2014, Bericht Alessia Scheel

 

 

                 

Audio-Mitschnitt der 49. Theodor Heuss Preisverleihung

2014