Demokratie als Lebensform ist kein Zufall. Ihre Errungenschaft gilt es zu pflegen und zu lehren. Die Entwicklung und die regelmäßige Erneuerung ihrer Verhältnisse stellt somit eine ständige und dauerhafte Aufgabe für den Staat, die Gesellschaft und die Erziehung dar. Demokratie kann demnach nicht früh genug beginnen und in die Erziehung miteinbezogen werden. Angesichts der anwachsenden Entwicklung fremdenfeindlicher und rechtsextremistischer Übergriffe in Deutschland, wird unsere Demokratie zunehmend zu einem zerbrechlichen und sensiblen Gut. Die lebendige Demokratie lebt nicht allein von Staat und Verfassung, sondern von der Gesellschaft, die ihr den nötigen Impuls für ihr Gelingen und ihre Lebhaftigkeit verleiht. Der Ruf nach einer demokratischen Schulerziehung und einer grundlegenden Schulreform, die keine Ausgrenzung kennt, wird immer lauter. Zahlreiche Projekte und Initiativen gibt es bereits, die sich der demokratischen Schulerziehung und ihren Reformen widmen.
Mit außerordentlichem Engagement und seit mehreren Jahrzehnten leistet Wolfgang Edelstein einen beispielgebenden und zukunftweisenden Beitrag für demokratisches Lernen an Schulen und für die Teilhabe und Demokratie als Lebensform. Wolfgang Edelstein ist überzeugt, dass Kinder nur dann an die Demokratie herangeführt werden können, wenn sich die deutschen Schulen für eine andere Pädagogik öffnen. Eine, die es allen Schülern ermöglicht, ihr individuelles Potential zu entwickeln. Jedoch ist dies im Moment nicht der Fall. „Die Schule übernimmt nicht die Verantwortung dafür, dass aus den Kindern das wird, was aus Ihnen werden könnte.“ Es sei noch immer nicht alltäglich an den Schulen, über Demokratiepädagogik und Verantwortungslernen nachzudenken. Doch gerade die Schulen wären dazu berufen, Denkanstöße zu geben, wie die Übernahme von Verantwortung systematisch verbessert werden könnte. Gelegenheiten und Verhältnisse müssen geschaffen werden, die Verantwortungslernen, Anerkennung und Selbstwirksamkeit begünstigen. Genau dieser Tenor von Verantwortungslernen, Anerkennung und Selbstwirksamkeit ist die Voraussetzung für eine sinnvolle und erfahrbare Teilhabe am schulischen Geschehen, an einer schulischen Gemeinschaft. Diese Verantwortungspraxis kann in Form eines Klassenrats, also die demokratische Mitbestimmung in der Schule, in der die Teilhabe vor Ort stattfindet; Lernen durch Engagement steht für Formen der Verantwortungsübernahme, die über die Schule hinausgehen; Schließlich die Mitwirkung außerschulischer Akteure an innerschulischen Aktivitäten. Hierbei handelt es sich also um drei Aspekte der Demokratiepädagogik, die positiven Einfluss auf die Gestaltung der Schulkultur nehmen.
Wolfgang Edelstein hat uns für das demokratische Lernen an Schulen vergessen geglaubte Begriffe ins Bewusstsein zurückgerufen, die für die Teilhabe und die Demokratie als Lebensform unerlässlich sind. Verantwortung, Mitbestimmung und Anerkennung sind Grundpfeiler des schulischen Geschehens und der schulischen Gemeinschaft. Schülerpartizipation begünstigt also die Aufforderung und die Möglichkeit, die täglichen und weisenden Interaktionen in der Schule mitzugestalten und mitzuverantworten.
1929 in Deutschland geboren, hat Wolfgang Edelstein aufgrund seiner jüdischen Herkunft in seinen ersten Schuljahren selbst erfahren müssen, was Ausgrenzung und Exklusion bedeutet. Nach der Emigration 1938 wuchs Edelstein in Island auf. Er besuchte die neunjährige, isländische Grundschule, die ihn maßgeblich prägte und ihm erstmals ein Gefühl des „Angenommenseins“ vermittelte. Nach dem Abitur, das er in Reykjavik absolvierte, zog es ihn zum Studium nach Grenoble und Paris. Seine Laufbahn begann er zunächst als Lehrer und Studienleiter an der Odenwaldschule in Ober-Hambach. 1963 ging der promovierte Edelstein an das Max-Planck-Institut nach Berlin, wo er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem neu gegründeten Institut für Bildungsforschung arbeitete. Als wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft, wurde er Anfang der 1980er Jahre zum Direktor des Forschungsbereichs „Entwicklung und Sozialisation“ berufen. In Island war er langjährig auch als „Chief Scientific Adviser“ am hiesigen Kultusministerium tätig und zudem maßgeblich an der Reform des Schulsystems beteiligt. Bis zu seiner Emeritierung 1997, hatte er eine Gastprofessur an der Harvard Universität, arbeitete an Fragen der Moralentwicklung und der moralischen Erziehung, saß im Gründungssenat der Universität Potsdam, entwickelte das „Potsdamer Modell für Lehrerbildung“ und war schließlich Mitinitiator des Modellprogramms „Demokratie leben & lernen“ der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK), sowie Gründer und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V.
Die Erfahrungen von Ex- und Inklusion prägten Edelstein als Menschen und während seiner Tätigkeit als Bildungsforscher. Aus seinen positiven Erfahrungen der Anerkennung und des „Angenommenseins“ resultierte sein beachtliches und außerordentliches Engagement, sich für demokratisches Lernen, Teilhabe und Demokratie als Lebens- und Gesellschaftsform einzusetzen.
Anti-Bias-Werkstatt
Antidiskriminierende Bildungsarbeit
Voreingenommenheiten und Vorurteile sind Teil unseres Alltags. Jeder hat sie, und jeder ist schon einmal mit ihnen konfrontiert worden. Oft erkennen wir sie bei anderen, nur nicht bei uns. Vorurteile führen zu Missverständnissen und Pauschalurteilen, die ein Feindbild kreieren, seine negativen Eigenschaften festigen und zu einer diskriminierenden Haltung gegenüber Anderen führen können. Vorurteile sind in der Struktur unseres Denkens verankert. Wir werden von ihnen im Alltag begleitet und in Entscheidungsprozessen beeinflusst. Die Grenze zwischen harmlosen Scherzen und ausfallenden Bemerkungen ist schwer zu ziehen. Somit bedarf es einer Umstrukturierung unserer Denk- und Handlungsweise. Um Vorurteile zu entkräften und zu überwinden, ist ein Bündel von Maßnahmen notwendig. Hierbei sind auch alle Akteure der gesellschaftlichen und institutionellen Ebene gefragt. In Workshops und Seminaren können Menschen dazu befähigt und angeregt werden, ihr Verhalten zu reflektieren und sich kritisch mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Die „Anti-Bias-Werkstatt“ hat in diesem Bereich bereits beispielgebende und innovative Ansätze geleistet.
Auf Grundlage der Gleichwertigkeit aller Menschen engagiert sich die Die „Anti-Bias-Werkstatt“ im Bereich der politischen Bildung für die gleichberechtigte Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Prozessen. Politische Bildung wird hier als eine Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzung definiert, die Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, politische und soziale Zusammenhänge hervorheben und Veränderungsprozesse anstoßen soll. Die „Anti-Bias-Werkstatt“ versteht Demokratie zum einen als Lebensform und zum anderen als Gesellschafts- und Herrschaftsform. Ersteres soll das soziale Engagement, Zivilcourage und einen gewaltfreien Umgang mit Konflikten fördern. Letzteres strebt auf Grundlage der Menschenrechte und dem einhergehenden Diskriminierungsverbot die Auseinandersetzung mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands an. In Workshops und Seminaren sollen diese Ziele verwirklicht werden. Unterschiedliche Zielgruppen, wie Jugendliche, Studenten, pädagogische Fachkräfte und auch Verwaltungsfachangestellte werden ihrer Problemlage und ihren Bedürfnissen entsprechend an die Thematik herangeführt.
Die Anti-Bias-Seminare leben von dem intensiven Austausch eigener Erfahrungen und Kenntnisse. Ausgehend von der Selbstreflexion, den eigenen Erfahrungen, der Hintergründe und der Gefühle wird der Austausch innerhalb der Gruppe angeregt und als Grundlage für das Aufzeigen von Handlungsalternativen genutzt. Die Teilnehmer werden dazu angeregt, sich selbst und die eigene Praxis zu reflektieren und sinnvolle Handlungsansätze gegen Diskriminierung und Unterdrückung zu erarbeiten. Neben Selbstreflexionsübungen und theoretischen Grundlagen, werden die Teilnehmer auch an Methoden, wie Biografie- und Theaterarbeit herangeführt. Arbeitsschwerpunkte der „Anti-Bias-Werkstatt“ liegen im Bereich der politischen Erwachsenenbildung, dem universitären Bereich, der Kleinkindpädagogik und der Kindertagesstätten. Somit setzt sich die Initiative in zahlreichen Bildungslandschaften für antidiskriminierende Interaktions- und Kommunikationsformen ein.
Die „Anti-Bias-Werkstatt“ ist eine Initiative, die 2002 von Pädagogik-Studenten der Universität Oldenburg gegründet wurde. Grundlage für ihre Arbeit bildet der Anti-Bias-Ansatz, der Anfang der 1980er Jahre von Louise Derman-Sparks und Carol Brunson-Philips in den USA entwickelt wurde. Er zielt darauf, eine durch Einseitigkeit und Voreingenommenheit entstandene Schieflage ins Gleichgewicht zu bringen und Diskriminierungen abzubauen. Dem Ansatz liegt die Grundannahme zugrunde, dass Vorurteile in der Gesellschaft als Denkweisen institutionalisiert sind und von den Menschen erlernt werden. Folglich können daraus resultierende Verhaltensstrukturen wieder verlernt, hinterfragt und kritisch betrachtet werden. Erst in den 1990er Jahren wurde der Anti-Bias-Ansatz durch den Fachkräfteaustausch aus Südafrika auch in Deutschland bekannt.
Kinderhilfe Afghanistan e.V. (Dr. Reinhard und Annette Erös)
Bildung statt Fundamentalismus
Afghanistan ist ein vorwiegend dörflich strukturiertes Land. Mehr als 80% der Gesamtbevölkerung lebt in kleinen Städten und Dörfern. Nur 20% leben in größeren Städten wie Kabul oder Kandahar. Gerade die Dörfer mussten in den vergangenen Jahrzehnten unter Krieg und Elend leiden. Die Spuren des Elends sind in allen Bereichen des Alltags zu spüren. Seit über einem Vierteljahrhundert zerstört der Krieg die Gesellschaft, die Wirtschaft und fehlende Bildung führt die Menschen in die gesellschaftliche Isolation. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 beteiligen sich mehr als 40 Länder am Wiederaufbau des Landes und an der Schaffung staatlicher Strukturen. Mit klar definierte Strukturen und Zielen setzt sich die „Kinderhilfe Afghanistan e.V.“ beispielgebend für die Kinderhilfe und den Wiederaufbau der Ostprovinzen Afghanistans ein.
Die „Kinderhilfe Afghanistan e.V.“ wurde noch zu Zeiten des Taliban-Regimes als Initiative der aus Bayern stammenden Familie Dr. Reinhard und Annette Erös und ihren fünf Kindern gegründet. Die Familie hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, sich dem Bau und Betreiben von Dorf- und Oberschulen, Waisenhäusern, Krankenstationen, Computerausbildungszentren, Zukunftswerkstätten und Berufsschulen zu widmen. Nach dem Sturz der Taliban im Winter 2001 beginnt Familie Erös mit dem Start der Projekte in den besonders gefährdeten Süd-Ostprovinzen Nangahar, Kunar, Laghman, Khost, Praktia und Paghman.
Aktuell betreibt die „Kinderhilfe Afghanistan e.V.“ 29 Schulen in fünf Süd-Ost-Provinzen Afghanistans, denen ca. 55.000 Schülerinnen und Schüler mit rund 1.400 Lehrrinnen und Lehrern angehören. Die Mädchen und Jungen erhalten Unterricht in den beiden Landessprachen Farsi und Paschtu sowie in Mathematik, Physik, Chemie, Geographie, Geschichte, Gesundheitslehre, Sport und Religion. Die Schülerinnen und Schüler werden kostenlos mit dem nötigen Lehrmaterial ausgestattet, die Lehrerinnen und Lehrer erhalten ein regelmäßiges Einkommen. Alle Schulen werden darüber hinaus mit Lehrmaterialien, Labor-Einrichtungen und Bibliotheken ausgestattet.
Neben den Schulen finden Familien unter anderem Hilfe in der Mutter-Kind-Klinik, in der derzeit 1200 Familien in den Flüchtlingslagern von Pak von afghanischen Frauenärztinnen betreut werden. Elf Computer-Ausbildungs-Zentren eröffnen mehr als 1000 Studentinnen und Studenten einen Bildungsweg. Ein Waisenhaus betreut ca. 400 Waisenkinder. Eine Solarwerkstatt bildet junge Waisenbuben zu Solar-Elektrikern aus. In einer Berufsschule für ca. 200 Mädchen werden junge Frauen zu Schneiderinnen ausgebildet. Bei der Sonderaktion „Obst statt Opium“ wird der Anbau von 25.000 Obstbäumen gefördert. Über 2000 einheimische Lehrerinnen und Lehrer, Ingenieure, Maurer, Bauhelfer, Ärztinnen, Ärzte, Hebammen und andere Helfer erhalten von der Initiative ein regelmäßiges Gehalt und können so wiederum ihre Familie ernähren.
1948 im bayerischen Tirschenreuth geboren, hat Reinhard Erös schon während der sowjetischen Besatzung Afghanistans drei Jahre lang in Peschawar gelebt. Als Arzt kümmerte er sich von 1987 bis 1990 gemeinsam mit seiner Frau Annette, einer Lehrerin, um das Elend von Frauen und Kindern. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland konnten sie das Land und seine Menschen nicht vergessen. Um effektiv und langfristig helfen zu können, gründeten sie 1998 das Projekt Kinderhilfe Afghanistan.
Von 1967 bis 1972 diente Erös als Zeitsoldat der Bundeswehr und war Offizier. Nach dem Ende seiner Dienstzeit studierte er Medizin und Politikwissenschaften. Erneut bei der Bundeswehr war er unter anderem Truppenarzt und Kommandeur eines Sanitätsbataillons. 1986 hatte sich Erös für vier Jahre ohne Bezahlung von der Bundeswehr beurlauben lassen, um als Arzt im Kriegsgebiet Afghanistans die Zivilbevölkerung medizinisch zu versorgen. Als Dozent im Fachbereich Sicherheitspolitik an der Führungsakademie der Bundeswehr tätig, trat er 2002 im Alter von 54 Jahren vorzeitig in den Ruhestand. Seitdem widmet er sich mit ganzer Kraft seiner Aufgabe und seiner Arbeit in Afghanistan. Sein vorbildliches Engagement macht ihn zu einem profunden Kenner des Landes und Träger mehrfacher Preise und Auszeichnungen.
Prof. Dr. Lothar Krappmann
Rechte und Bildungschancen für Kinder
Die Kindheit – glücklich und unbeschwert sollte sie sein. Es sollte selbstverständlich sein, dass Kinder zur Schule gehen, ein Recht auf Bildung haben, Schutz durch elterliche Fürsorge erfahren, vor Gewalt und Ausbeutung bewahrt werden, Spiel, Freizeit und Ruhe fester Bestandteil ihres Alltags ist und Wünsche und Fähigkeiten von ihrer Umgebung wahrgenommen werden. Vor allem in Industriestaaten sollte es normal sein, Kinderrechte zu achten. So ist es aber nicht. Nur scheinbar ist die Verletzung der Kinderrechte ein Problem in sogenannten Entwicklungsländern, die wegen ihrer Verstöße gegen die Kinderrechtskonvention vom Westen regelmäßig kritisiert werden.
Die Rechte von Kindern und Jugendlichen sind in der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 festgelegt und für nahezu alle Staaten der Welt bindend, auch in Deutschland. Die Konvention beruht auf vier elementaren Grundsätzen: Überleben, Schutz, Förderung und Beteiligung. Die Kinderrechtskonvention verleiht Kindern verbriefte Rechte. Doch Kinderarmut, fehlende Bildungschancen, Flüchtlingskinder, Gewalt gegen Kinder, kommerzielle sexuelle Ausbeutung sind nicht nur Schlagzeilen aus Afrika, Asien oder Osteuropa, sondern zunehmend Erscheinungsbilder in Deutschland. So betreffen die Grundsätze nicht nur die Kinder in Entwicklungsländern, sondern auch in Industriestaaten. Die Verletzung von Kinderrechten in Deutschland wurde lange verkannt und nur ungenügend bekämpft.
Einer, der die Notwendigkeit erkannte, sich für Kindheit und Kinderpolitik einzusetzen, ist Lothar Krappmann. Von 2003 bis 2011 war er eines von achtzehn Mitgliedern des Ausschusses der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes, gewählt von der Vollversammlung der 193 Vertragsstaaten. In der weltweiten Prüfung der Umsetzung der Kinderrechte hat er sich besonders für das Recht der Kinder auf Bildung insbesondere in der frühen Kindheit eingesetzt, auch für ihr Recht auf Beteiligung und für die Rechte von Flüchtlings- und Migrantenkindern, Bildung und Ausbildung zu erhalten.
Dies wurden seine Themen, weil er während seiner gesamten Berufstätigkeit bis 2001 im Max-Planck-Institut für Bildungsforschung die soziale, die soziokognitive und die moralische Entwicklung der Kinder im Schulalter erforscht hat. Über dieses Forschungsgebiet hat er an der Freien Universität Berlin als Honorarprofessor für die Soziologie der Bildung gelehrt und viele Fortbildungsveranstaltungen für Erzieher, Sozialarbeiter und Familienhelfer gehalten.
Als Vorsitzender der Sachverständigenkommission, die den 10. Kinder- und Jugendbericht für den Deutschen Bundestag ausgearbeitet hat, engagierte er sich für die qualitative Weiterentwicklung von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, nicht zuletzt für Kindertagesstätten für jüngere und ältere Kinder. Besondere Aufmerksamkeit hat er Initiativen gewidmet, Kinder von früh auf an der Gestaltung ihrer Einrichtungen und am Lernen zu beteiligen. Lothar Krappmann hat nach Wegen gesucht, demokratische Potentiale von Kindern zu stärken.
Der Soziologe, der über das Thema der Identität in einer inkonsistenten Sozialwelt promoviert wurde, studierte auch Theologie und Neuere Geschichte. Obwohl er als empirischer Forscher auch manche statistische Analyse gemacht hat, war seine bevorzugte Forschungsmethode die Beobachtung.
Es begann in den 70er Jahren mit der Beobachtung einer Gruppe fußballspielender Jungen, die ihm die Augen für das reiche Sozialleben von Kindern geöffnet haben. Vielfältige Studien folgten über Freundschaft, Streit, Gewalt, Spaß, Bemühungen um Fairness und Gerechtigkeit, Anerkennung und Gesicht-Wahren. Immer noch möchte er besser verstehen und für die pädagogische Praxis erschließen, wie Kinder ihr Handeln koordinieren, gemeinsam Regeln entwickeln und welche Rolle Erwachsene in diesem Bildungsprozess einnehmen.
Für sein vorbildliches und außerordentliches Engagement erhält er auch international Anerkennung als Forscher im Bereich Kindheit und Kinderpolitik.
Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage
Bürgerschaftliches Engagement von Schülern und Lehrern
In einem Land der kulturellen Vielfalt kommen Menschen mit verschiedenen Sprachen, Kulturen und Religionen zusammen. Was für die einen Bereicherung ist, löst bei anderen Befremden aus. Oft zeichnen sich diese Tendenzen schon in der Schule ab. Die soziale Herkunft, die Sprache oder auch die Religion bestimmen, wer in der Schule ausgegrenzt oder diskriminiert wird. Vorurteile nehmen im Schulalltag zu. Gewaltanwendung, Mobbing und rassistische Bemerkungen sind keine Seltenheit. Das Bild der Schülerinnen und Schüler ist meist nicht von Gemeinsamkeiten geprägt. Nach einem Wir-Gefühl lässt sich vergeblich suchen, und im Zusammenleben fehlt es oftmals an Respekt und Freundlichkeit. Schulen sind Orte, an denen Kinder und Jugendliche verschiedener kultureller und sozialer Herkunft zusammenkommen. Schulen sollen Schülerinnen und Schülern auch soziale und moralische Kompetenzen beibringen.
Das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ trägt dazu bei, das Schulklima so zu gestalten, dass eine Atmosphäre gegenseitiger Anerkennung entsteht, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Das Netzwerk wurde 1995 ins Leben gerufen. Ziel ist, Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit und die Unterstützung zu bieten, sich in ihrem Lebens- und Schulumfeld aktiv gegen Fremdenhass, Rechtsextremismus und Rassismus einzusetzen. Die Initiative führt die Schülerinnen und Schüler Schritt für Schritt zur Beteiligung an integrativen Prozessen und zur aktiven Teilnahme an der inhaltlichen Ausgestaltung der Menschenrechtserziehung. Inzwischen hat sich „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zu einer handlungsstarken und demokratischen Jugendbewegung entwickelt und bildet aktuell das größte Schulnetzwerk: Im Januar dieses Jahres begrüßte die Initiative die 1000. Schule im bundesweiten Netzwerk. Somit besuchen rund 75000 Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Pädagogen eine Schule, die sich freiwillig dazu verpflichtet hat, gegen jede Form der Diskriminierung vorzugehen.
Bis heute fanden an den 1000 Schulen mehr als 10000 Projekttage und Aktionen statt. Zahlreiche Kinder und Jugendliche haben daran teilgenommen und sich couragiert und kreativ für die Einhaltung der Menschenrechte eingesetzt. Die Projekte leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Festigung einer demokratischen Alltagskultur unter Kindern und Jugendlichen, zur Integration von Minderheiten und beim Zurückdrängen von Extremismus jeglicher Art. Sie beschäftigt sich mit allen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Zu ihr gehören beispielsweise auch Mobbing, Homophobie, Sexismus, Nationalsozialismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamismus und Islamfeindlichkeit.
Mit ihrem bürgerschaftlichem Engagement und der Einhaltung der Menschenrechte antwortet das Netzwerk auf die Fragen, wie wir zusammen leben wollen und was unsere gemeinsamen Werte und Normen sind, mit einem nachhaltigen und zukunftsweisenden Beitrag. Respekt und Anerkennung im Schulalltag führt zu einer demokratischen Schulkultur, in der die Möglichkeit der Teilhabe allen erteilt und gegeben wird. „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ wird durch ihre vorbildliche Leistung von allen demokratischen Parteien, von allen bedeutenden Glaubensgemeinschaften und auch von zahlreichen Prominenten aus Sport, Kultur und Politik unterstützt.
Bildung - Teilhabe - lebendige Demokratie
Am 27. April 2012 fand das Kolloquium anlässlich der 47. Theodor Heuss Preisverleihung zum Jahresthema »Bildung – Teilhabe – lebendige Demokratie« im Kultur- und Kongreßzentrum Liederhalle, Stuttgart, statt.
Christian Petry trug die Gedanken des leider erkrankten Theodor Heuss Preisträgers 2012, Wolfgang Edelstein, em. Direktor Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, zum Jahresthema vor. In zwei Diskussionsrunden wurden Fragen zu:
1. Demokratie als Lebensform – „Werd’ ich gehört? Werd’ ich gebraucht? Was Bildung tun kann“ (Impulsreferate von Katharina Dietrich (Anti-Bias-Werkstatt) und Sanem Kleff („Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“)) und
2. Demokratie als Gesellschaftsform – „Werd’ ich gehört? Werd’ ich gebraucht? Wie Teilhabe soziales Vertrauen stärkt“ (Impulsreferate von Reinhard Erös (Kinderhilfe Afghanistan) und Lothar Krappmann, Bildungsforscher im Bereich Kindheit und Kinderpolitik) erörtert.
Den Bericht von Christian Petry über das wegweisende Kolloquium – aus diesem Kolloquium und aus der Verleihung des Theodor Heuss Preises ist das Buch „Worauf Kinder und Jugendliche ein Recht haben“ entstanden – finden Sie hier:
Zur Demokratie ermutigen!
Für Demokratie begeistern!
Die unabhängige und überparteiliche Theodor Heuss Stiftung ist für die Durchführung der Veranstaltung »Theodor Heuss Preis« auf Spenden/Zustiftungen angewiesen.
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Ab einem Betrag von 200,- Euro stellen wir eine Zuwendungsbestätigung aus.
Die Theodor Heuss Stiftung steht für eine starke Demokratie. Wir wollen Begeisterung für Demokratie wecken, sie fördern und den Rechtsstaat und die Menschenrechte stärken. Mit der jährlichen Theodor Heuss Preisverleihung macht die Stiftung aktives demokratisches Engagement sichtbar und gibt Impulse für Partizipation, Initiative und Engagement in einer europäischen Bürgergesellschaft.
Ermutigen Sie zur Demokratie!
Unser besonderer Dank für die finanzielle Unterstützung unserer Projekte in diesem Jahr gilt dem Land Baden-Württemberg, der Landeshauptstadt Stuttgart, dem Gewinnsparverein der Sparda Bank, der Merck-Finck-Stiftung, Annette und Timo Rögelein, der Solics GmbH, der Stiftung der Volksbank Zuffenhausen eG, der Vector Informatik GmbH.