Preisträger 1996

Ignatz Bubis

Beispielhafte Bemühungen, den Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen – vor allem mit jungen Menschen – zu suchen

Der Theodor-Heuss-Preis für 1996 wurde Herrn Ignatz Bubis zuerkannt für seine beispielhaften Bemühungen, den Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen – vor allem mit jungen Menschen – zu suchen.

 

Dabei gelingt es ihm, durch seine Offenheit und Wahrhaftigkeit, aber auch durch Verständnis für seine Gesprächspartner und durch persönliche Zuwendung Tabus und Denkblockaden im deutsch-jüdischen Verhältnis entgegenzutreten. Mit seinem unermüdlichen Engagement trägt Ignaz Bubis in Wort und Tat zum besseren Verständnis für die Situation jüdischer Mitbürger in Deutschland bei und weckt – vor allem bei jüngeren Menschen Mitverantwortung für diese Aufgabe. Er baut damit am Fundament eines in die Zukunft gerichteten, friedlichen und vorurteilsfreien Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen.

 

Mit der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises soll dieser unentwegte Einsatz gewürdigt werden und zur Nachahmung ermutigen.

Cem Özdemir

Eine Theodor-Heuss-Medaille für 1996 wurde Cem Özdemir zuerkannt für sein beispielhaftes Engagement zum Abbau von Vorurteilen, Berührungsängsten und Feindseligkeiten zwischen türkischen Bürgerinnen und Bürgern.

 

Von Jugend auf hat Cem Özdemir – heute deutscher Staatsbürger türkischer Herkunft – diese Aufgabe als persönlichen Auftrag erkannt und ist dabei über lange Jahre mit Mut, Beharrlichkeit und Humor mit eigenem Beispiel vorangegangen, bevor er nun als Bundestagsabgeordneter verstärkt und bundesweit für die Gleichberechtigung türkischer und deutscher Jugendlichen eintreten kann. Er tut das sowohl gegenüber den türkischen Gruppen, die sich gegenüber der deutschen Gesellschaft abschließen, als auch gegenüber Deutschen, die sich Bürger türkischer Abstammung nicht als gleichwertig und gleichberechtigt vorstellen können.

 

Mit der Zuerkennung der Theodor-Heuss-Medaille an Cem Özdemir sollen alle jungen Männer und Frauen der zweiten in Deutschland lebenden Generation türkischer Familien, die ihren Platz in unserer Gesellschaft suchen, ohne ihre kulturelle Identität und Verbundenheit zu ihren Familien und ihrer Herkunft zu verleugnen oder zu verwischen, geehrt und ermutigt werden.

Maria von Welser

Eine Theodor-Heuss-Medaille für 1996 wurde Maria von Welser zuerkannt für ihr unermüdliches Engagement als Leiterin des ZDF-Frauenjournals »Mona Lisa« – zusammen mit ihrem 10-köpfigen Mitarbeiterinnen-Team – das Medium Fernsehen zum Abbau von Denk– und Verhaltensblockaden und zum offenen Dialog zwischen gesellschaftlichen Gruppen, sowie zwischen den Geschlechtern und Generationen zu nutzen und ihre Zuschauer vor allem bei sozialen und humanitären Mißständen zu tätiger Mitverantwortung aufzufordern.

 

In besonders hervorragenden Weise ist ihr dies beim brisanten Thema »Kinderpornographie« gelungen, mit der Folge einer Anhörung im Deutschen Bundestag und einer verschärften Gesetzgebung, sowie durch ihre Berichte über das Schicksal tausender bestialisch vergewaltigter Frauen im Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien. Mit der Zuerkennung der Theodor-Heuss-Medaille an Maria von Welser soll das beispielhaft verantwortungsbewußte Engagement des Frauenjournals »Mona Lisa« – auch hinsichtlich des mehr und mehr entarteten Konkurrenzkampfes zwischen den elektronischen Medien – gewürdigt und zur Nachahmung empfohlen werden.

Initiatoren und Gestalter des Friedensdorfes Storkow in Brandenburg

Eine Theodor-Heuss-Medaille für 1996 wurde den Initiatoren, Gründern, Förderern und Bewohnern des Friedensdorfes Storkow zuerkannt für ihr Bemühen, in einer seit Anfang der 90er Jahre von fremdenfeindlichen Übergriffen und wachsenden rechtsextremistischen Gruppierungen gefährdeten und als Folge der Polarisierung dialogunfähig gewordenen Bürgerschaft durch eine Initiative zur Errichtung eines »Friedensdorfes« zum Abbau der Konflikte und zur Überwindung der Polarisierung beizutragen.

 

Nach einer Idee des »Komitees Cap Anamur« wurde in Storkow 1992 ein gemeinnütziger Verein gegründet und bereits 1993 – finanziell unterstützt durch öffentliche und Stiftungsmittel, beraten von einem »mobilen Beratungsteam«des Landes Brandenburg mit dem Bau der ersten Häuser unter Mitarbeit arbeitsloser deutscher und ausländischer Jugendlicher, auf einem von der Stadt Storkow zur Verfügung gestellten Grundstück begonnen. Heute wohnen bereits über 40 Deutsche und Asylbewerber, arbeitslose und berufstätige, rechtsradikale und demokratische Jugendliche im »Dorf«; nach dem zweiten, bereits begonnenen Bauabschnitt sollen es mehr als doppelt so viele sein. Im Zuge der Planung und Errichtung des »Friedensdorfes« haben Begegnungen und Gespräche sowie neue Erfahrungen und Einsichten zur wachsenden Dialogbereitschaft und damit zur Verbesserung des Zusammenlebens in und um Storkow spürbar beigetragen.

 

Mit der Zuerkennung der Theodor-Heuss-Medaille für dieses mutige und immer auch gefährdete Projekt soll allen daran Beteiligten dankbare Anerkennung und Ermutigung zuteil werden.

Aufeinander zugehen – Mut zum Dialog

1996